der schneesturm

Freitag, 27.05.2022 - Der Schneesturm - Premiere

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Ein stürmischer, kühler Abend Ende Mai in Zollbrücke. Ein voll besetztes Theater am Rand. Schon vor Beginn der Vorstellung hört man das Pfeifen des Windes und weiß nicht, ob es sich um eingespielte Geräusche zur Einstimmung auf das Stück oder um die Naturgewalt handelt. Ein Schneesturm im Mai im Oderbruch? Unmöglich, das gibt es nicht….! Doch wie so oft belehrt uns die Natur des einzigartigen Landstrichs am Rande Deutschlands eines Besseren: Zwar kein Schneesturm, aber ein handfester Frühlingssturm fegt an diesem Abend durchs Theater und ist wie bestellt für die Thematik des Stückes. Der Vorhang öffnet sich, die beiden Schauspieler Thomas Rühmann und Holger Daemgen, zwischen ihnen die Musikerin Mareike Trillhaas, stehen erhöht auf einer Art Berg, ein Eis- oder Schneeberg möglicherweise, in dicke Pelzmäntel eingepackt. Nach einem kurzen, intensiven Einführungsdialog schließt sich der Vorhang wieder, die Spannung im Publikum steigt spürbar. Nur noch das Rauschen des Windes ist zu hören. Erst als der Vorhang erneut geöffnet wird, kann man die gesamte Bühne so richtig wahrnehmen: die Weite der Wiesen und Felder im Hintergrund, durch die halboffene Theater-Rückwand zu sehen, zwei Schaukelstühle auf der Bühne und einen halb von der Decke herunterhängenden Stuhl. Oben, alles überblickend und über der gesamten Szenerie thronend, sitzt Mareike Trillhaas, Thomas Rühmann und Holger Daemgen haben unterdessen ihre Plätze unten auf der Bühne eingenommen. 

 

Am 27. Mai 2022 feierte das Stück „Der Schneesturm“ Premiere im Theater am Rand.

Nach dem gleichnamigen Roman des russischen, postmodernen Schriftstellers Vladimir Sorokin erstellte Thomas Rühmann die Bühnenfassung für das Theater am Rand, leitete die Produktion und spielte zudem eine der Hauptrollen. Sein Zusammenspiel mit Holger Daemgen war gewohnt routiniert; die beiden verstanden sich auf der Bühne blind. In bemerkenswerter Weise sprang Daemgen zwischen mehreren Rollen hin und her, während Rühmann als Landarzt Dr. Garin durchs ganze Stück führte.

Mareike Trillhaas, die freischaffend als Toningenieurin, Sounddesignerin, Videogestalterin und Geräuschemacherin arbeitet, komplettierte das Ensemble. Sie erzeugte die zur Handlung passende Atmosphäre mit Hilfe verschiedener Geräuschquellen. Im Zentrum ihres Spiels stand das Theremin, ein faszinierendes Instrument. Es wird ohne jeglichen Körperkontakt gespielt und erzeugt seine sphärischen Klänge durch zwei elektrische Schaltkreise, die jeweils elektromagnetische Wellen erzeugen und von zwei Antennen gesteuert werden. Je nachdem, wie die Hände um diese Antennen herum bewegt werden, entstehen unterschiedliche Töne. Das Theremin passte perfekt in die russische Szenerie des Stückes, denn es wurde im Jahr 1954 von dem russischen Wissenschaftler Leon Theremin erfunden. 

Töne zu erzeugen ist auf diesem Instrument nicht schwer, diese jedoch so gezielt und mit feinem Gespür einzusetzen, wie Mareike Trillhaas es tat, erfordert viel Geschick und ein außerordentlich gutes Gehör. Sie verstand es, die Atmosphäre der jeweiligen Szenen exakt herauszuarbeiten, sei es die klirrende Kälte, Bedrohungen, Spannung und wiederum Entspannung. So fand man sich als Zuschauer schnell in einer anderen Welt wieder und konnte ganz in das Stück eintauchen.

 

Landarzt Dr. Platon Garin ist mitten im Schneesturm auf dem Weg in den Ort Dolgoje, um Impfstoff gegen eine rätselhafte Krankheit auszuliefern. Irgendwann sind seine Pferde zu erschöpft, um weiterzulaufen, deshalb fährt Garin mit dem ehemaligen Brotkutscher Kosma, genannt „Krächz“, auf dessen Schneemobil weiter.

Das Stück beginnt wie eine Erzählung aus dem 19. Jahrhundert, erst im weiteren Verlauf ahnt man als Zuschauer, dass es eigentlich in der Zukunft spielt oder sich gar um eine Märchenwelt handelt. Reisen mit dem Pferdeschlitten, gezogen von winzigen Pferden, genannt „Pferdis“. Futuristische technologische Phänomene wie ein Radio, das lebendige Bilder ausspuckt, eine Paste, aus der Filz wächst und aus der man in Sekundenschnelle eine Hütte bauen kann, Riesen und Zwerge, eine Droge, die den Landarzt in fremde Sphären versetzt. 

Unterwegs machen Garin und der Krächz unter anderem Station bei einem Müllerehepaar, um dort das verunfallte Schneemobil zu reparieren. Garin ist fasziniert von der Müllerin, komödiantisch gespielt von Holger Daemgen, und erlebt mit ihr eine leidenschaftliche Nacht. Diese Szene, von den beiden Schauspielern mitreißend und wunderbar überspitzt dargeboten und von Mareike Trillhaas passend begleitet, blieb ebenso im Gedächtnis, wie der lange, verzweifelte Monolog, den Thomas Rühmann als Platon Garin darbot, welcher an dieser Stelle des Stückes unter massivem Drogeneinfluss stand. 

 

Das durchaus tragische Ende des Stückes möchten wir an dieser Stelle nicht vorweg nehmen, sondern sprechen stattdessen eine klare Empfehlung aus, den „Schneesturm“ selbst mitzuerleben. In diesem Jahr sind zwar keine Aufführungen mehr geplant, aber 2023 wird das Stück sicher wieder auf dem Spielplan stehen!

© Kathrin und Vanessa, 2022