Fiese Fabeln - Premiere

9. März 2012 Theater am Rand

Eine fabelhaft fiese Premiere wurde uns an diesem Freitagabend geboten.
Wir sahen eine Theaterfassung aus den Geschichten von David Sedaris, die Thomas Rühmann und Holger Daemgen erzählten und die Zuschauer damit in ihren Bann zogen.
Zu Beginn des Stückes war es zunächst dunkel im Theater. Holger Daemgen betrat die Bühne und als die Scheinwerfer angingen erkannten wir, dass er sich extra für diesen besonderen Abend, oder zumindest für diese erste Szene der Aufführung, in Schale – einen hübschen hellblauen Arbeitskittel – geworfen hatte. Mit schwäbischem Dialekt sprach er über die Herstellung des Bio-Apfelsaftes. An dieser Stelle wäre es für die Zuschauer eventuell ratsam gewesen, der eigenen Phantasie nicht so viel Freiraum zu lassen. Der mehr oder weniger brauchbare Haushaltstipp, dass Mäusefell aus einem Entsafter schwieriger zu entfernen ist als Mango, löste Reaktionen im Publikum aus, die vermuten ließen, dass der Ein oder Andere sich lieber nicht vorgestellt hätte, wie man zu dieser Erkenntnis gekommen war.
Nachdem wir nun auf das Thema eingestimmt waren, kam Thomas Rühmann hinzu und die beiden nahmen auf der roten Couch in der Mitte der Bühne platz.

Mit verteilten Rollen erzählten sie die sonderbaren Fabeln, die dem Publikum Anlass zum Amüsieren und zum Nachdenken gaben.
Wie zum Beispiel erklärt man einem Storchenkind, woher die Babys kommen? Wie soll es diese komplizierte Sache verstehen? Dass Babys von Mäusen gebracht werden ist zwar allgemein bekannt, doch für jemanden, der selbst noch so klein ist, wäre eine andere Geschichte vielleicht leichter nachzuvollziehen...
Wir wurden Zeugen einer intimen Unterhaltung zwischen einer Henne und ihrer Schwester. Diese stellte sich die Frage, ob es wohl etwas Verwerfliches wäre, wenn sie - während sie mit dem Hahn zusammen war - öfter mal an eine andere Henne dachte...
An dieser Stelle bemerkten wir, dass Holger Daemgen nicht nur Dialekte beherrscht sondern auch hervorragend das Gelächter eines Federviehs imitieren kann, was in diesem Moment nicht nur das Publikum belustigte.
Wir erlebten das Eichhörnchen und das Streifenhörnchen, welche sich nach zwei Wochen Beziehung nichts mehr zu sagen hatten. Und wenn vom Eichhörnchen dann doch etwas kam, waren es nur unanständige Dinge. Wie an jenem Abend, als das Eichhörnchen dem Streifenhörnchen offenbarte, es stünde auf „Jazz". Solch ein Bekenntnis macht den Kampf um Akzeptanz in der Familie natürlich nicht gerade leichter...
Noch vor der Pause beriet man sich über Methoden zur Rache an inkompetenten Schwarznattern und zwei Wandergrasmücken gaben witzige Anekdoten über ihre Erlebnisse mit guatemaltekischen Vögeln zum Besten.
Zwischen den Geschichten gab es immer wieder kurze Verse, die gesellschaftliche Themen wie Drogenmissbrauch bei Tieren, Gedanken einer Schnecke oder Liebeskummer bei Nashörnern behandelten.
Später tappte die Pavian-Friseurmeisterin bei ihrer Kundin von einem Fettnäpfchen ins nächste und auch das Chefkaninchen des Waldes hatte keine leichte Aufgabe. Sein Arbeitsplatz war ein Eingangstor, welches es bewachte und niemanden in den Wald hinein ließ, der sich nicht entsprechend verhalten konnte, denn lachen, dumme Fragen stellen, komisch gucken und Bemerkungen jeglicher Art waren untersagt und wer sich nicht an diese Regeln hielt, musste mit Sanktionen rechnen...
Wir lernten an diesem Abend auch noch zwei streitsüchtige Laborratten und ein vietnamesisches Hängebauchschwein kennen, welches sich aufgrund seines Namens diskriminiert fühlte.
Und die Moral dieses Theaterabends? „Lehne dich nicht zu weit aus dem Nest.", „Jeder bekommt was er verdient hat.", „Man sieht sich immer zweimal."!?
Die Geschichten schafften es tatsächlich, den Erwartungen, die der Titel geweckt hatte, zu entsprechen und dank der Art und Weise, wie sie von den beiden Schauspielern veranschaulicht wurden, hatten die Zuschauer mit Sicherheit auch nach der Vorstellung noch das ein oder andere fiese Bild im Kopf.

© Jeanine, 2012