Theaterwochenende 2010

Ein kurzer Bericht über ein tolles Wochenende in Zollbrücke, welches in etwa so aussah:
Freitag, 05.03.2010 – Accordion Mystery
Samstag, 06.03.2010 – Seide
Sonntag, 07.03.2010 – Die Entdeckung der Langsamkeit
zwischendurch die Ruhe genießen, die Landschaft bewundern, den Ziegenhof besuchen…

Als wir am Freitagabend ankamen, konnten wir erstmal einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten. Es waren sogar Rehe zu sehen, ganz dicht an den Häusern dran. Danach machten wir uns auf den Weg ins Theater.
An diesem Abend waren sehr wenige Leute da, was ich aber eigentlich ganz gemütlich fand (im Gegensatz zu Sonntag -> ausverkauft!)
Thomas Rühmann erzählte die Geschichte und spielte Gitarre, Tobias Morgenstern übernahm das Akkordeon, gemeinsam haben sie gesungen und teilweise ziemlich wild musiziert. Die beiden haben auf einer Couch gesessen, gelegen, gestanden und was weiß ich nicht noch alles.
Es ging um drei Deutsche die nach Amerika reisten, ein Württemberger, ein Sachse, und noch einer… vielleicht waren es auch zwei Württemberger^^ Thomas Rühmann machte die Dialekte der drei nach, was (wie man sich vorstellen kann, vor allem als der Sachse dran kam) ziemlich unterhaltsam war.
Während des Stückes wurde behauptet, Frauen könnten kein Akkordeon spielen. An dieser Stelle: Vanessa KANN Akkordeon spielen!
(Um noch einmal auf die Couch zurückzukommen, einmal klopfte Thomas Rühmann darauf, so dass eine riesige Staubwolke zum Vorschein kam.)
Es wurde von diversen Personen berichtet, darunter ein so guter Musiker „Er musste als Baby mit einer Grammophonnadel geimpft worden sein“ anders ließ sich seine Begabung nicht erklären.
Doch vor allem drehte es sich um das grüne Akkordeon, wie es von einem Besitzer zum nächsten kam und was es dabei alles erlebte. Wie jemand 14000 Dollar in Scheinen hineinklebte, es einmal im Taxi vergessen wurde und ein anderer es sogar ins Wasser tauchte.
Zum Ende stellte Thomas Rühmann die Couch (ich komm nicht von ihr los, so hat die mich anscheinend beeindruckt :D) hochkant hin. Die sah von unten aus, als hätten da sämtliche Tierarten ihre Nester drin gebaut. Er ließ sich einen Stuhl aus dem Publikum geben und hat sich damit hinter die Couch gestellt. Also er hat drauf gestanden und dann so drüber geguckt.
Es gab einen laaaangen Applaus, trotz der wenigen Leute.

Als wir raus kamen, war der Himmel schwarz und voll von gaaaaanz vielen Sternen. Entsprechend kalt war es auch. Ich fand ihn halt schön, den Zollbrücker Sternenhimmel Aber kommen wir zum Samstagabend…

Das Stück „Seide“ handelt von einem Seidenraupenhändler namens Hervé Joncour, der für dieses Geschäft einmal im Jahr nach Japan reist und immer am ersten Sonntag im April nach Frankreich zurück kommt. Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, dass er nicht nur für die Raupen den weiten Weg auf sich nimmt…
Es wurde erzählt und musikalisch begleitet, doch die eigentlichen Bilder haben sich in den Köpfen der Zuschauer abgespielt. Das macht die Inszenierungen der Stücke im Theater am Rand so interessant, dass die Schauspieler und Musiker ohne unzählige Requisiten auskommen und das Bühnenbild dadurch so geheimnisvoll erscheint.

Wo ist die Zeit die man einspart, wenn man sich beeilt? Das fragte sich John Franklin, der als 10-jähriger Junge zu langsam war einen Ball zu fangen und deshalb immer nur die Schnur halten durfte. In diese Rolle schlüpft Thomas Rühmann und entdeckt gemeinsam mit Tobias Morgenstern und den Zuschauern die Langsamkeit. Während Thomas Rühmann unter anderem mit der imaginären Schnur beschäftigt ist und dabei eindrucksvoll den kleinen John Franklin darstellt, untermalt Tobias Morgenstern die Geschichte mit seiner Musik.
Es wird erzählt, welche Versuche John unternimmt, mit seiner Langsamkeit umzugehen und wie er einige Jahre später zur Kriegsmarine gelangt. Schließlich wird er Kapitän und erlebt viele Abenteuer auf verschiedenen Expeditionen, von der letzten kommt er allerdings nicht zurück…
Im Übrigen hat man wirklich das Gefühl, dass die Zeit in Zollbrücke irgendwie langsamer vergeht. So etwas gibt es wahrscheinlich wirklich nur am Ende der Welt.
Wir blieben noch ganz lange, weil Papa noch Fotos von der Bühne machen wollte. Dort stand das Metronom und pendelte immer noch.

Tick, tack, tick, tack… ich hätte dort noch stundenlang stehen bleiben können, doch dann hätten wir vielleicht die gläsernen Kassen verpasst. Also gingen wir nach draußen, falteten brav unsere Scheinchen auseinander und bekamen unsere Austrittskarten.

© Jeanine, 2010